Seit über einem Jahr währt die Corona-Pandemie, über Monate war kein Gottesdienst möglich, noch immer gelten strenge Vorschriften mit Masken, Desinfektion, Abstand. „So etwas gab es noch nie“, dachten viele, auch die, die schon seit Jahrzehnten Mitglied ihrer Gemeinde sind. Ein Fund der Geschichtswerkstatt zeigt: Zumindest für ein paar Wochen gab es das eben doch schon einmal.
Das Ereignisbuch der Kirchengemeinde Waiblingen-Hegnach, das der Geschichtswerkstatt auszugsweise von Reinhold Pudel zugeschickt wurde, ist knapp und sachlich formuliert. So wird beispielsweise vermerkt: „Gottesdienste vom 6. Juni 1951 bis 14. Juli 1951 infolge Bauarbeiten ausgefallen.“ Punkt, nächster Eintrag.
Trotz aller Sachlichkeit und Kürze fallen vier Zeilen aus dem gleichen Jahr sofort auf. Kommt einem das nicht ganz aktuell und bekannt vor? „Gottesdienste vom 27. Sept. – 31. Okt. 1951 infolge Maul-& Klauenseuche ausgefallen“ steht da in recht ordentlicher Handschrift.
Tatsächlich gibt es im Waiblinger Stadtarchiv zahlreiche Zeitungsmeldungen, die das Grassieren der für den Menschen weitestgehend ungefährlichen Maul- und Klauenseuche und deren Auswirkungen auf das Leben der Waiblinger Bürgerinnen und Bürger behandeln.
„Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Waiblingen und Stetten“, „Auch in Rommelshausen Maul- und Klauenseuche“, „Weiterausbreitung der Maul- und Klauenseuche“ heißt es da in den Meldungen, die Stadtarchivar Matthias Gandlau für uns herausgesucht hat.
Die erste Meldung stammt vom 11. September 1951, mehrere Folgemeldungen erscheinen in den darauffolgenden Tagen. Bereits am 21. September gibt es in manchen Gebieten wieder „Erleichterungen“: Die Landwirte dürfen ihre Fuhrwerke wieder bewegen, nur aktuell betroffene Bauernhöfe dürfen nicht angefahren werden. Die Lockerungen müssen jedoch wenige Tage später aufgrund neuer Krankheitsausbrüche wieder zurückgenommen werden.
Auffallend ist, dass die Meldungen in der „Neuen Waiblinger Kreiszeitung“ meist sehr kurz gehalten sind – eben eine Meldung unter vielen zwischen Bebauungsplan und Wasserpreis. Wenige Jahre nach Kriegsende und als Teil einer agrarischen Gesellschaft scheinen Seuchen weniger ungewöhnlich zu sein als heute. Ebenso auffällig ist, dass die betroffenen Höfe direkt benannt werden – eine Datenschutzdiskussion wird zumindest in der „Neuen Waiblinger Kreiszeitung“ nicht geführt.
Zurück zum Ereignisbuch. Der erste Eintrag ist ähnlich kurz und sachlich wie die Meldungen zur Maul- und Klauenseuche. Unter dem Stempel „Neuap. Gemeinde Hegnach“ wird vermerkt: „13. Nov. 1949: Erster Gottesdienst hier gehalten von Pr. Stolz u. Pr. Schmid“. Bis zur Profanierung des Kirchengebäudes im Januar 2019 hatte die Gemeinde ihre Heimat im Waiblinger Ortsteil Hegnach – seitdem gehören die Hegnacher Kirchenmitglieder zur Gemeinde Waiblingen-Hohenacker. Eine Chronik auf der Internetseite des Kirchenbezirks gibt einen kurzen Einblick in Teile der Gemeindegeschichte.
Ein kleiner Trost, heute wie damals: Die Seuche verbot nicht nur Gottesdienste, sondern auch andere Veranstaltungen – selbst die Fasnet musste eine Pause einlegen. Und: Irgendwann war die Seuche auch wieder vorbei.